Karl Heinz Riegl schaffte dank seiner Familie den Weg zurück und absolvierte die 130 km beim Ultramarathon „Wien rundumadum“ in weniger als 15 Stunden.
Nach meiner schweren Operation im letzten Winter und dem daraus leider resultierten Ausfall beim Ultramarathon in Namibia hatte ich mich entschlossen, die ganze kommende Saison zur Schadensbegrenzung und Aufbauarbeit zu verwenden. Mit tatkräftiger Unterstützung durch das IMSB (Institut für Sportmedizin und Leistungsdiagnostik) wurde ein entsprechender Trainingsplan erstellt, welcher auch immer wieder genau „abgefragt“ und überwacht wurde. Aufgrund meiner sich dadurch konstant verbessernden Konstitution und Kondition wagte ich, motiviert von meinem Freund und Laufkameraden Martin, mich für den Ultramarathon „Wien rundumadum“ am 29.10.2016 anzumelden. Dieser Einstieg sollte zur Standortbestimmung und zum „Zurückfinden“ dienen. Das Ziel war, die vorgegeben 130 km in weniger als 15 Stunden zu laufen!
Meine momentane Verfassung und sehr gute Ergebnisse bei einigen Trainingsläufen vorher zeigten, dass ich meine Form wiedergefunden haben dürfte. Aber ob ich mental schon in der Lage wäre, diese Strecke zu bewältigen, würde das Rennen zeigen. Start war am Samstag den 29.10.2016 um 06:00. Mit der Startnummer 41 ging ich für das HSV-Seat Wien Team an den Start …
Nach einer unruhigen Nacht im Turnsaal beim Startgelände, begann ich um 04:30 mit meinen Vorbereitungen zu diesem Lauf. Morgentoilette, Frühstück und Packordnung gingen mir wie automatisch von der Hand. Nach einigen Kontrollblicken in die dunkle Nacht hinaus, entschloss ich mich, meine Adjustierung auf Regen abzustimmen. So geschah es auch und das Wetter gab mir recht!
Nach dem Startcountdown folgte der Massenstart der ca. 400, mit Stirnlampen ausgerüsteten Teilnehmer, wovon sich an die 100 Männlein und Weiblein für den 130 km-Einzelbewerb angemeldet hatten. Vom Startgelände in Floridsdorf ging es bei Dunkelheit, strömendem Regen und eisigen Temperaturen Richtung Donauinsel. Die gespenstisch anmutenden Lichtstrahlen der Stirnlampen suchten sich im Dunst und Regen unaufhaltsam ihren Weg. Über der Donau dann weiter Richtung Leopoldsberg und Kahlenberg, wo uns die erste Labestation erwartete.
Da ich mein Betreuerteam in Person meiner Frau Eva und Sohnemann Gernot, der für das IMSB die Messungen durchführte, dabeihatte, wurde bei jeder Station nicht nur gelabt, sondern auch eine Laktatmessung durchgeführt, um für spätere Auslandsultras Erkenntnisse zu erlangen. Wegen der „frischen“ Temperaturen war es gar nicht so einfach, Blut aus dem unterkühltem Ohrläppchen zu pressen und drücken – a schware Partie! Getränke aufgefüllt, Blut „verloren“ und weiter ging es auf dem von der MA49 ausgeschilderten Rundwanderweg Richtung Höhenstraße und Schwarzenbergallee.
Im stellenweise dichten Nebel übersah ich eines der sehr klein geratenen Abzweigungsschilder und trottete nichts ahnend meine Pace vor mich hin. Der 4,5kg schwere Rucksack verrichtete seine erwartete Arbeit zu meiner Zufriedenheit. Nur der Nebel und das Fehlen der Schilder ließen mich erst wieder in einer, durch mehrmalige Trainingsläufe gut bekannte Umgebung, „munter“ werden – ich war auf der Sophienalpe angekommen und somit weit ab von der Strecke. Ein kurzer Anfall von Resignation ließ mich überlegen ob ich abbrechen und ins Wirtshaus gehen sollte oder, ja, ich entschloss mich, ein Stück zurückzulaufen um dann „querwaldein“, direkt Richtung Strecke, weiter zu hetzen. Angestachelt durch meine Wut riskierte ich beim Bergablaufen einiges, um dann endlich nach ca. 30 Minuten wieder bei der Meute anzukommen.
Dann ging es weiter Richtung Jubiläumswarte, Hütteldorf, der Lainzer Tiergarten-Mauer entlang bis zum Gütenbachtor, wo mich mein Betreuerteam schon sehnlichst erwartete. Nasse Kleidung wechseln, Laktatmessung und Verpflegung aufnehmen klappte diesmal wie am schon oft zitierten Schnürchen. Als Bonus wartete mein weiterer Helfer und Freund Peter, der sich bereit erklärt hatte, mit dem Fahrrad auf der restlichen Strecke für mich als Vorausabteilung zu fungieren und mir falls notwendig die Pace vorzugeben. Dem Liesingbach entlang ging es Richtung Favoriten und zum Zentralfriedhof.
Das Wetter wurde etwas angenehmer, aber die lange Distanz und der nicht geplante „Wutsprint“ vom Wienerwald forderten nun ihren Tribut ein. Von Peter etwas bei Laune und mittels meines MP3 Players auf Trab gehalten, reduzierte ich meine Pace etwas und versuchte, durch mein aufgetretenes Tief durchzulaufen. Bei der Steinspornbrücke erwartete mich meine Nichte Claudia (selbst Triathletin), um mit mir die nächsten 20 km gemeinsam zu verbringen. Mittels dieser grandiosen Betreuung konnte ich wieder mein geplantes Tempo in der eintönigen, flachen, perspektivlosen, faden … Donau-Au wiederfinden.
Nach der nächsten Labeprozedur, Ohr-Gezerre, -Gedrücke, -Gequetsche musste ich wieder alleine weiterlaufen. Von der Au Richtung Stammersdorf, knapp den Heeresschießpatz passierend, ging es weiter Richtung Bisamberg. Bis dahin quittierte meine Stirnlampe bereits einige Male ihren Dienst. Peter, der wieder mit dem Fahrrad aufgeschlossen hatte, musste mit mir Lampe tauschen, damit ich wenigstens etwas von der Strecke sehen konnte. Lampe ist halt nicht gleich Lampe, aber immer noch besser als im Dunkeln zu laufen.
Vom Bisamberg durch die Kellergasse versuchte ich nochmals einen alles gebenden Sprint, der mich aber schlussendlich 3 Plätze kostete, denn ich konnte das hohe Tempo doch nicht halten. Immer wieder sehnsüchtig auf die Pulsuhr blickend, knabberte ich an den letzten Kilometern, unter Außerachtlassung aller Trainingsvorgaben, Meter für Meter bis ins Ziel herunter. Doch als ich in die hell erleuchtete Zielhalle einlief und die Uhr bei 14:39 stehen blieb, bemerkte ich schön langsam, dass ich mein persönliches Ziel, unter 15 Stunden zu laufen, erreicht hatte.
Neben meiner Familie, vielen Freunden und meinen Betreuern von der Strecke warteten auch einige meiner Sponsoren im Zielbereich auf mich. Ihnen allen war die Überraschung gelungen. Als dann auch noch Martin kurz hinter mir ins Ziel kam, war der Erfolg des HSV-Seat-Wien Teams für mich perfekt. Der 12. Gesamtplatz bei den Herren (Platz 1 bei den +50) und Martin mit einer Zeit weit unter seinem Plansoll in der „Silbergruppe“, stimmten uns alle auf die nun anschließende kleine Feier ein, aber die Müdigkeit forderte ihren Tribut ...